Die Strategie am Anfang eines solchen Projekts besteht generell darin, aus der meist riesigen Menge von alten Patenten, die einer wirksamen Stoffklasse zugeordnet sind, Patentlücken in der chemischen Struktur zu finden und mit Methoden moderner Chemie neue, patentierfähige Moleküle im Labor zu synthetisieren. Ziel ist es, die biologische Wirkung der Standards (Wirkungsstärke und/oder Spektrum) zu übertreffen. Im Laufe dieser Phase, die Jahre dauern kann, erkennt der Chemiker einen Zusammenhang zwischen der chemischen Struktur und der biologischen Wirkung. Er weiss, welche Strukturelemente notwendig für die Wirkung und welche variabel sind. Er entwickelt Ideen für neue Derivate und optimiert so die chemische Struktur. Dabei ist die Kenntnis der organischen Synthese von fundamentaler Bedeutung.

Im Rahmen dieser Optimierungsphase werden in der Regel einige Tausend neue Moleküle hergestellt, in Mengen von 10 -100 mg, die im Basis-Screen in wöchentlichen Serien auf ihre biologische Wirksamkeit getestet werden. Wirksame Derivate werden auf höhere Prüfstufen befördert und unter härteren Bedingungen getestet, zuletzt unter Praxisbedingungen gegen Standards im Feld. Der Substanzbedarf steigt auf einige 100 g. Im Normalfall überleben 99% oder mehr der getesteten Derivate wegen ungenügender Wirksamkeit nicht. Die Resultate werden in regelmässigen Sitzungen des Projektteams diskutiert.

Die zündende Idee für den Erfolg dieses Projekts kam beim Studium einer japanischen Publikation aus dem Jahre 2000, wo die Synthese von ortho-Nitrobenzonorbornenen beschrieben ist. Wir erkannten die strukturelle Verwandtschaft mit den OPA’s und sahen eine Möglichkeit, sie in solche umzuwandeln.

Die fungizide Wirkung der neuartigen Benzonorbornen-OPA’s war vielversprechend. Zudem waren sie strukturell weit weg von allen Patentstandards. Wir hatten alle Freiheit in der chemischen Bearbeitung, was es uns erlaubte, die gesamte Verbindungsklasse zu patentieren.

Beharrlichkeit und Kreativität waren dennoch gefordert. Die Chemie war aufwendig. Weitere vier Jahre Arbeit mit vielen neuen Derivaten waren notwendig, bis wir im Frühling 2005 mit SOLATENOL™ eine Verbindung mit hochpotenter fungizider Wirkung gegen ein breites Spektrum von Pilzerkrankungen fanden (insbesondere gegen Rost in Getreide und Soja). Noch im gleichen Jahr wurde SOLATENOL in Brasilien im Feld getestet und die Überlegenheit gegen Standards bestätigt. Weitere Tests in der Süd- und Nordhemisphäre wurden anberaumt, Abbau-, Metabolismus- und Toxizitätsstudien initiiert. Der Substanzbedarf wuchs auf über 500g pro Jahr. Dies brachte die Kapazität unseres Forschungslabors an seine Grenzen. Das Interesse an der neuen Verbindung war gross, die Termine knapp und die gesamte Labormannschaft während Monaten auf das Äusserste gefordert. Im Jahr 2007 erfolgte die Beförderung von SOLATENOL zum Entwicklungsprodukt.

„Ein Blick in ein chemisches Labor, wo neue Substanzen synthetisiert werden, potentielle Wirkstoffe der Zukunft. Für die Entdeckung von SOLATENOL™ wurden rund 5000 neue Substanzen hergestellt und getestet.“

Das weitere Schicksal von SOLATENOL als Entwicklungsprodukt hing jedoch auf Messers Schneide trotz ausgezeichneter biologischer Wirkung. Die Laborsynthese mit ihren vielen Stufen war aufwendig, gefährlich, ineffizient und der Preis abschreckend für ein Agroprodukt, das im Tonnenmassstab hergestellt werden sollte. Dank der bravourösen Leistung von Denis Gribkov von der Chemischen Entwicklung in Münchwilen AG, der innert nützlicher Frist einen technischen Prozess mit innovativer Chemie realisierte, wurde SOLATENOL gerettet.

Ein Teil der Synthese von SOLATENOL wird heute bei Syngenta Montey/VS realisiert.

SOLATENOL erhielt die Zulassung 2014 in Brasilien, 2017 in der EU und in der Schweiz 2018 – 13 Jahre nach der ersten Labor-Synthese!

Der Erfolg dieses Projekts beruhte aber auch auf dem Engagement des gesamten OPA-Projektteams, insbesondere des Projektleiters Harald Walter, sowie auf dem gewaltigen spartenübergreifenden Effort auf allen Ebenen innerhalb Syngenta. Über hundert Mitarbeiter haben zum Gelingen beigetragen.

Auf kleinen Blattstückchen wird die Wirkung auf verschiedene Krankheiten (hier Braunrost) von verschiedenen Molekülen getestet um potentielle Wirkstoffe zu finden.

Rund ein Dutzend davon wurde ausgewählt für weitere Untersuchungen. Dies geschieht jeweils auf November für die nördliche Halbkugel und auf Mai für die Südhalbkugel, denn beim Beginn der Anbausaison sollten erste ausgewählte Produkte im Feld getestet werden. Bis dahin wurden die ausgewählten Wirkstoffe im Gewächshaus getestet. Dies erfolgt jeweils kulturspezifisch, bei SOLATENOL™ erfolgten diese Tests vorerst auf Soja. Diese Pflanzen werden mit den Ziel-Krankheiten infiziert und anschliessend mit dem Wirkstoff behandelt. Bereits hier wird auch mit den wichtigsten Standard Produkten aus dem Markt verglichen. Oft werden in diesem Stadium auch weitere Krankheiten aus anderen Kulturen getestet. Bei SOLATENOL™ wurde hier sehr bald auch auf Getreide getestet, vor allem weil der Wirkstoff auf Sojarost extrem gut war. Die äusserst gute Wirkung wurde auch im Braunrost im Getreide bestätigt.

Dr. Stephane Bieri, Forschungszentrum Stein, Teamleiter Getreideprojekte: „Ich bin erst später zum Projektteam von SOLATENOL gestossen um den Wirkstoff am Getreide genauer zu erforschen und herauszufinden, wo die Vorteile und Fortschritte gegenüber bestehenden Lösungen liegen. Mich erstaunte vor allem die sichtbar langanhaltende und gleichmässige Wirkung auf den Getreideblättern.“

Zu diesem Zeitpunkt wurden auch bereits verschiedene Formulierungen mit den entsprechenden Wirkstoffen von den Chemikern entwickelt und von der Biologie im Gewächshaus getestet. Hier wurde lange im Austausch von Versuchsergebnissen an den optimalen Formulierungen herumgebaut. Aufgrund der Formulierungschemie und Biologie an demselben Standort konnten hier rasch Fortschritte erzielt werden.

So wird der finale Wirkstoff in der von der Biologie festgelegten Konzentration und mit den ausgewählten Mischungspartnern einer erneuten Entwicklung unterzogen bei der wiederrum die  unterschiedlichsten Formulierungstypen mit einer grossen Anzahl verschiedener Hilfstoffe getested werden. Hierbei spielt neben der chemischen Stabilität die Benetzbarkeit der Spritzbrühe und deren Stabilität eine grosse Rolle. Wiederum werden dutzende von Versuchen gemacht und die besten Muster auch über Monaten eingelagert bei einer Vielzahl von Temperaturen. Die Formulierung muss mehrere Jahre bei tropischen Temperaturen überstehen ohne etwas von Ihrer Effektivität und physikalischen Performance einzubüssen. Sie muss mit hartem und weichem Wasser bei 5°C  und auch bei 25°C Wassertemperatur funktionieren. Bei Flugzeugapplikation mit 40 Liter ebenso wie in Spritztanks mit 400 Liter soll die Formulierung funktionieren, als Einzelprodukt aber auch mit diversen Mischpartnern.  Vielversprechende Muster werden dann jeweils  im Glashaus und später auch im Feld getestet. Dies sagt uns welche Formulierungstypen am besten funktionieren und ob zusätzlich eingesetzte Komponenten wie z.B. Adjuvantien die Wirksamkeit unseres Stoffes hinreichend verstärken. Biologie und Formulierungsentwicklung arbeiten hier eng zusammen, wobei das Feedback der jeweils anderen Funktion die Arbeit stark beeinflusst. Ganz am Ende gibt es ein Muster dessen Zusammensetzung alle chemischen und physikalischen Bedingungen erfüllt ist und dessen biologische Wirksamkeit sehr gut ist. Diese Zusammensetzung wird dann zur Registrierung eingereicht.

Bei Elatus Era war eine EC-Formulierung die beste Wahl um das Optimum aus sehr guter Effektivität, sehr guter physikalischer Performance und chemischer Stabilität zu garantieren.

Es wurde zuerst auf einer Vielzahl von Kleinparzellen von jeweils zwei Quadratmetern getestet. Dabei wurden rund 40 verschiedene Substanzen mit verschiedenen Wirkstoffen und Formulierungen gespritzt und miteinander verglichen. Dies erfolgte jeweils auf der anfälligeren Sorten auf Septoria und Rostkrankheiten. Entsprechend deutlichere Unterschiede waren sichtbar zwischen den verschiedenen Versuchsparzellen.

Andre Zettel, Syngenta Les Barges, Technischer Experte Pflanzenschutz: „Bereits bei den ersten Feldversuchen auf Kleinstparzellen hat sich die Leistungsstärke von SOLATENOL™ bestätigt, insbesondere gegen Braunrost und Septoria“

Die Erkenntnisse aus diesen Versuchen flossen zurück in die Formulierungschemie, welche daraufhin das Rezept der Formulierungen nochmals verfeinert hatte. Es erfolgten anschliessend in der Folgesaison weitere Feldversuche auf etwas grösseren Parzellen mit fünfzehn Quadratmetern. Es waren nun ausschliesslich verschiedene Formulierungen mit dem Wirkstoff SOLATENOL, der sich als Testsieger herausgestellt hatte. Zudem wurden auch bereits andere Wirkstoffe beigemischt um mögliche ergänzende und/ oder verstärkende Wirkungen zu validieren.

Bei SOLATENOL™ war die Nachfrage sehr bald sehr hoch, sodass zurzeit auch am Produktionsstandort von Syngenta in China produziert, um die grosse Nachfrage abzudecken. Mittelfristig soll der grösste Teil SOLATENOL jedoch aus Monthey stammen, es wurden hierzu mehrere Millionen Franken in den Produktionsstandort investiert. Es soll eine Kapazität geschaffen werden, die den weltweiten Bedarf von SOLATENOL abdeckt. Weshalb in der Schweiz produzieren und nicht in einem Billigland? Dafür sprechen der Mehrwert, d.h. eine effizientere Ausnutzung der Ressourcen und entsprechender Kostenoptimierung gegenüber anderen Standorten. Die Personalkosten betragen hierbei gerademal 3 %. Zudem sind die Technologie und das technische Know-how der Mitarbeiter sehr hoch. Und nicht zuletzt ist die Schweizerische Zuverlässigkeit zu erwähnen, welche in einer hocheffizienten Produktion entscheidend ist.

Für Zentraleuropa wurde eine Studie an Getreide durchgeführt, in der es darum ging, wie Wasservolumen, Fahrgeschwindigkeit, Düsentyp und Tankmischungen auf die Produktewirkung beeinflussen. Die Studie fand einerseits in einem hochmodernen spezialisierten Labor in Münchwilen statt sowie in einem Feld in Deutschland. Es wurden insgesamt 48 Tankmischungen und Formulierungen mit SOLATENOL™-Produkten getestet. Unser Fazit: SOLATENOL-Produkte zeigen für sich alleine und in Mischungen eine so gute Haftung der Tropfen am Blatt sowie Verteilung im Blattbestand, dass die Applikationstechnik für eine optimale Wirksamkeit eine untergeordnete Rolle spielt.

Zu interessanten Ergebnissen kamen wir im Jahr 2015 bei einem breit angelegten Praxisversuch in Brasilien. Hintergrund dieser Studie war, dass in Brasilien mit sehr wenig Wasser im Tank gespritzt wird, mitunter nur gerade 30 – 100 Liter Wasser pro Hektare. Dadurch muss ein möglichst feiner Sprühnebel gewährleistet werden – nicht gerade optimal um Abdrift zu vermindern. In grossangelegten Versuchen auf 15 Soja- Farmen wurde unsere Applikationsempfehlung mit dem Betriebsstandard verglichen, auf Feldern von 5 bis 50 Hektaren. Unsere Empfehlung war jeweils der Einsatz mit 80 – 150 Liter Wassermenge pro Hektar mit Anti-Drift Düsen. Entsprechend grösser waren die Tropfen. Es wurden Daten zu Spritzqualität, Wirkung und Ertrag erhoben. Das Ergebnis war vor allem bezüglich Ertrag eindeutig und zwar auf allen Versuchsflächen: Bei unseren umweltverträglicheren Lösung mit weniger Abdrift-Gefahr wurden im Durchschnitt 400 kg mehr Ertrag geerntet, bei einem üblichen Ertragsniveau von 2500- 3500 kg/ha.

Um bessere und schärfere Ergebnisse zu erhalten wurden die Versuchsfelder jeweils mit Septoria und Braunrostsporen infiziert um einen klaren und starken Befall sicherzustellen.

Die Bonitierung der Krankheiten beziehungsweise der Wirkung wird während dem Wachstum wöchentlich bonitiert und die Ergebnisse minutiös festgehalten, für spätere statistische Auswertungen. Parzellen mit bis zu zehn Varianten mit jeweils drei Wiederholungen werden systematisch bonitiert. Auf welcher Variante was genau gespritzt wurde weiss der Feldtechniker welcher bonitiert nicht.

Die Feldversuche unter Schweizer Bedingungen verfolgen im Wesentlichen drei Ziele: Erstens dienen sie als Grundlage für die Beantragung einer Bewilligung bei den Bundesbehörden. Zweitens lernen wir damit die Eigenheiten des Produktes unter lokalen Bedingungen kennen und können unsere Verkaufsberater entsprechend unterstützen und schulen, damit unser Know-how möglichst an die Front bzw. auf das Feld des Landwirts transferiert wird. Dies geschieht bei einem kleinen Kreis von ausgewählten Landwirten und Lohnunternehmern bereits vor der Einführung in Praxisversuchen.

Norbert Locher, Syngenta Agro AG Dielsdorf, Leiter Registrierung und Technischer Support: „In der Registrierung und Technik in Dielsdorf und Commugny setzten wir alles daran, den Zulassungsprozess voranzutreiben, um die Anwendung von Elatus Era, mit dem neuen und herausragenden Wirkstoff SOLATENOL™, für die Schweizer Landwirte zu ermöglichen.“

Analog zu den Feldversuchen unter Schweizer Bedingungen wurde die Registrierung durchgeführt, mit dem Ziel, eine Bewilligung für die Anwendung der Elatus Era in der Schweiz zu erhalten. Dieser Prozess kann mehrere Jahre dauern, ohne Gewähr auf Erfolg. Es wird jeweils beim Bundesamt für Landwirtschaft ein Dossier mit verschiedenen Studien zu folgenden Themen eingereicht:

• Wirksamkeit des Produktes
• Anwendungsempfehlungen für die Schweizer Landwirtschaft
• Toxikologische Studien mit Risikobeurteilung für den Menschen
• Einfluss auf die Lebensmittelverarbeitung
• Umweltverhalten und Ökotoxikologie, d.h. Einfluss auf Fauna und Flora, insbesondere Nützlinge

Ein Dossier zu einem Pflanzenschutzprodukt mit einem neuen Wirkstoff umfasste in den Fünfzigerjahren etwa einen Ordner. Die Anforderungen sind laufend gestiegen, heute umfasst ein Dossier ein ganzes Gestell voller Ordner. Kostenpunkt: rund 200 Millionen Dollar, ohne die länderspezifische Feld- und Registrierungsarbeit.

Das Dossiers Elatus Era wurde im Vorfeld bereits von Experten für den europäischen Raum erarbeitet und von uns für die schweizerischen Verhältnisse entsprechend angepasst und ergänzt. Die darin enthaltenen Studien entsprechen vorgegebenen internationalen und europäischen Standards. Es ist zu erwähnen, dass die europäischen und schweizerischen Standards weltweit zu den stricktesten Zulassungsrichtlinien gehören. Das Dossier wird beim Bundesamt für Landwirtschaft geprüft. Sukzessive werden einzelne Kapitel an weitere Bundesämter (SECO, BAFU, BLV) an Spezialisten gegeben, wo nochmals akribisch nachgeprüft wird. Wenngleich die Richtlinien standardisiert sind, gibt es stets Interpretationsspielraum bei der Beurteilung. Oft müssen gewisse Studien nachgereicht oder verifiziert werden. So auch bei Elatus Era, nicht zuletzt weil es sich bei SOLATENOL um einen neuen Wirkstoff handelte. Um die Bewilligung zu erhalten, mussten sowohl Dossiers zum Wirkstoff SOLATENOL, als auch Produkte, die SOLATENOL und andere Wirkstoffe enthalten, eingereicht werden. In einem Punkt gab es Einigkeit: SOLATENOL-Produkte wirken hervorragend, insbesondere auf Roste und Septoria.