Biologisch, nachhaltig, regenerativ – Was ist was in der Schweizer Landwirtschaft?

Basel, Mai 2022 – «Biologisch», «Nachhaltig», «Regenerativ»... Wir finden diese Begriffe dieser Tage gefühlt auf jeder zweiten Verpackung oder Zeitungsseite, und haben vielleicht nicht ganz unbegründet den Eindruck, dass sie nicht nur inflationär, sondern auch synonym verwendet werden. Verständlich, dass dies speziell für Nicht-Fachleute verwirrend ist. Deshalb möchten wir etwas Navigationshilfe bieten.
Nachhaltige Landwirtschaft
Eine Entwicklung ist nachhaltig, wenn sie die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne dabei die Erfüllung der Bedürfnisse künftiger Generationen zu gefährden. Diese Definition wurde 1987 erstmals von der UN formuliert. Gemäss dieser Definition sind im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung die Dimensionen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft zu berücksichtigen. Sie ist ein Grundpfeiler der Bundesverfassung, welche die Schweizer Landwirtschaft zu einer nachhaltigen Produktion verpflichtet, um einen wesentlichen Beitrag zur sicheren Versorgung der Bevölkerung und zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen zu leisten. Die Herausforderung besteht somit in der Suche nach einem Optimum zwischen der Schonung der natürlichen Ressourcen und einer wirtschaftlichen und marktorientierten landwirtschaftlichen Produktion.
Nachhaltige Landwirtschaft umfasst eine breites Spektrum von landwirtschaftlichen Praktiken. Zusammen zielen diese darauf ab, mit natürlichen Prozessen zu arbeiten und nicht gegen sie. „Nachhaltig“ ist ein Überbegriff für alle Praktiken, die das Ziel unterstützen, einen landwirtschaftlichen Betrieb zukunftsfähiger und widerstandsfähiger zu machen. Die nachhaltige Landwirtschaft betrifft Themen wie Wassermanagement, Bodenfruchtbarkeit, Energie- und Abfallmanagement sowie Krankheits- oder Schädlingsbekämpfung.
Regenerative Landwirtschaft
Während nachhaltige Landwirtschaft sehr breit definiert ist, strukturiert regenerative Landwirtschaft viele dieser nachhaltigen Praktiken in einem klar definierten System. Dieses zielt darauf ab, nicht nur die Erschöpfung von Ressourcen zu reduzieren, sondern tatsächlich Ackerland wiederherzustellen und dessen Produktivität zu steigern.
Daniel Bärtschi, der als einer der Wegbereiter der regenerativen Landwirtschaft in der Schweiz gilt und Landwirtschaftsbetriebe, Unternehmen und Organisationen in Fragen rund um die nachhaltige Lebensmittelproduktion berät, liefert diese Definition: "Regenerative Landwirtschaft ist ein System landwirtschaftlicher Prinzipien und Praktiken, die die biologische Vielfalt erhöhen, Böden bereichern, Wassereinzugsgebiete schützen und die Ökosystemleistungen verbessern. Durch die Abscheidung von Kohlenstoff im Boden und in der oberirdischen Biomasse zielt regenerative Landwirtschaft auch darauf ab, die globale Klimaerwärmung zu reduzieren. Gut umgesetzt resultieren trotz reduziertem Hilfsmitteleinsatz stabilere Erträge, eine bessere Widerstandsfähigkeit gegen Klimainstabilität und höhere Resilienz und Vitalität für ländliche Gemeinschaften."
Besonders im Fokus steht die Bodengesundheit (Soil Health): Durch gezielte und konsequente Nutzung des Zusammenspiels von Photosynthese, Bodenleben und von Haupt- und Zwischenkulturen können sich ausgelaugte Böden regenerieren. Basis ist die bewusste Regelung des Nährstoffhaushaltes sowie die gezielte Förderung der Bodenbiologie einschliesslich Bodenbakterien, Bodenpilze, Regenwürmer, etc. Die Anwendung bodendeckender sowie -schonender Anbaumethoden beleben den Boden und optimieren seine Zusammensetzung . Das führt dazu, dass der Humusanteil im Boden wieder steigt und mehr Kohlenstoff gebunden werden kann, was wiederum die Akkumulation von CO2 in der Atmosphäre senkt.
Wenn man so will, sind regenerative landwirtschaftliche Praktiken also eine Weiterentwicklung und effektivere Positionierung von nachhaltigen Methoden: Ueber die reine Erhaltung natürlicher Ressourcen hinaus wird erkannt, WIE diese beeinträchtigt werden, und wie man sie mit verbesserter Produktivität wieder herstellen kann.
Biologischer Landbau
Betriebe, die biologische Erzeugnisse herstellen, wirtschaften nach den Prinzipien und Vorgaben der biologischen Landwirtschaft, welche in der Schweizer Bio-Verordnung definiert werden. Sowohl die landwirtschaftliche Produktion als auch die Aufbereitung von biologischen Lebens- und Futtermitteln erfolgen nach den Vorschriften des Biolandbaus. Jeder Betrieb, der biologische Erzeugnisse herstellt, aufbereitet, handelt oder importiert, wird mindestens einmal pro Jahr von einer der vier in der Schweiz akkreditierten und zugelassenen Zertifizierungsstellen kontrolliert und zertifiziert.
Auch die biologische Landwirtschaft ist auf den Einsatz von Pestiziden (Pflanzenschutzmittel und Biozide, zum Beispiel für die Stallhygiene) angewiesen. In der Schweiz werden mehr Pestizide verkauft, die in der biologischen Landwirtschaft anwendbar sind als Produkte, die nur in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt werden können. Die Hälfte der zehn meistverkauften Pflanzenschutzmitteln in der Schweiz sind Bio-Pestizide. Dabei regelt die sogenannte Betriebsmittelliste für den biologischen Landbau, welche Pestizide von Biobauern verwendet werden dürfen. Was viele Menschen überraschen dürfte: Viele Produkte auf dieser Liste kommen nicht direkt aus der Natur, sondern werden synthetisch hergestellt. Das betrifft zum Beispiel die im biologischen Landbau häufig eingesetzten Kupfersalze, aber auch Schwefelprodukte, Kaliseife und Eisenphosphat. Viele biologische Pflanzenschutzmittel enthalten zudem Zusatz- und Hilfskomponenten, die synthetisch produziert werden. Ein Beispiel ist Schwefel, der so, wie er in der Natur vorkommt, nicht wasserlöslich ist. Damit er überhaupt im Pflanzenschutz angewendet werden kann, muss er in einer wässrigen Suspension formuliert werden. Das funktioniert nur mit Hilfe von chemischen Hilfsstoffen.
Es gibt noch einen weiteren wichtigen Grund, «natürliche» Pflanzenschutzmittel im Labor herzustellen: dann nämlich, wenn der landwirtschaftliche Bedarf das natürliche Vorkommen bei weitem übersteigt. Das ist etwa bei Pheromonen der Fall - Lockstoffen, die sowohl im biologischen als auch im konventioneller Landbau zum Beispiel gegen den Apfelwickler oder die Kirschessigfliege eingesetzt werden. Die im Labor synthetisch hergestellten Pheromone haben die gleiche molekulare Gestalt und wirken genau so gut wie die natürlich vorkommenden Verbindungen. Vor allem aber können sie in grösseren Mengen bereitgestellt werden. Es wäre weder profitabel noch nachhaltig, Millionen von Insekten auszuquetschen, um die gleiche Menge Pheromone auf «natürliche» Art zu erzeugen.
Somit ist auch die heute in der Schweiz praktizierte Bio-Landwirtschaft stark von synthetischen Pestiziden abhängig.
Pestizide
Pestizide sind nach der offiziellen Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Substanzen aus chemischen oder biologischen Inhaltsstoffen zur Abwehr und Bekämpfung von Schädlingen, Krankheiten und Unkräutern. Ebenfalls zu den Pestiziden gehören Pflanzenwachstumsregulatoren sowei Biozide - Substanzen, die im nichtlandwirtschaftlichen Bereich zur Bekämpfung von Schadorganismen eingesetzt werden, wie etwa Desinfektionsmittel in Krankenhäusern. Der wichtigste Punkt ist, dass Pestizide durch ihren Zweck definiert werden, nicht durch ihre Inhaltsstoffe. Die Herkunft bzw. Herstellung eines Wirkstoffes sagt noch nichts über sein toxikologisches Potenzial aus. Entscheidend ist, ob eine chemische oder biologische Substanz sicher für Mensch und Umwelt angewandt werden kann. Alle Pestizide sind streng reguliert und müssen gemäss ihren Etiketten verwendet werden.
Biologicals (Biologika)
Bei Syngenta verwenden wir den Begriff Biologicals (Biologika) als übergeordnete Bezeichnung für von der Natur abgeleitete oder inspirierte Technologien und Produkte. Biologicals gehen in ihrer Rolle und Bedeutung weit über die reine Schädlings- und Krankheitsbekämpfung hinaus. Sie sind ein wichtiges Element im sogenannten Integrated Pest Management (IPM), wo sie mit synthetischen Pflanzenschutzmitteln sowie nachhaltigen Anbaumethoden wie Fruchtfolge und schonender Bodenbearbeitung kombiniert werden. Das bedeutet im Allgemeinen, dass insgesamt weniger Pestizide verwendet werden, im Sinne einer Landwirtschaft, die ressourcenschonend, produktiv und für Landwirte und Konsumenten attraktiv ist.
Biologicals werden aus lebenden oder natürlich vorkommenden Materialien hergestellt. Sie bieten eine Quelle für neue Wege, auf denen der Wirkstoff eine Wirkung auf einen lebenden Organismus entfaltet. Es gibt zwei Hauptkategorien für Biologicals:
- Biocontrols basieren auf natürlich vorkommenden Stoffen, die zur biotischen Stressbewältigung (also gegen «belebte» Stressfaktoren wie Krankheiten, Schädlinge und Unkräuter) eingesetzt werden. Zu diesem Zweck werden Biocontrols im Wechsel mit konventioneller Chemie in integrierte Sprühprogramme eingebettet. Neben einem besseren Resistenzmanagement trägt dies auch dazu bei, chemische Rückstände in den angebauten Nutzpflanzen zu reduzieren.
- Biostimulanzien sind Substanzen, die natürliche Prozesse von Pflanzen stimulieren und so deren Nährstoff- oder Wassernutzungseffizienz sowie Toleranz gegenüber «unbelebten» Stressfaktoren wie Hitze und Dürre verbessern. Ein Beispiel ist die positive Beeinflussung des Wurzelwachstums oder von Bodeneigenschaften wie Wasserhaltevermögen, Struktur und Belüftung. In einigen Fällen weiss die Wissenschaft noch nicht, wie genau ein bestimmtes Biostimulanz die Pflanzengesundheit verbessert – nur dass es einen Effekt gibt.
Biologicals sind sehr vielfältig, von Mikroben und Viren bis hin zu Pflanzenextrakten, Peptiden und RNA. Jede Art von Biological hat seine eigenen besonderen Herausforderungen in Bezug auf Entwicklung, Produktion, Formulierung und Registrierung. Biologicals können auch im Labor synthetisiert werden, sind aber in ihrer Zusammensetzung naturähnlich (ein Beispiel sind die schon erwähnten Insektenpheromone). Biologicals ergänzen und verbessern die Wirkung synthetischer Pflanzenschutzmittel und bieten Landwirten mehr Auswahlmöglichkeiten, um Resistenzen zu kontrollieren, die Bodengesundheit zu verbessern und Rückstände in Lebensmitteln zu reduzieren. Unterstützt durch unsere führende biologische Forschung und Entwicklung bietet Syngenta den Landwirten in der Schweiz und weltweit viele Möglichkeiten, um die reichen Möglichkeiten zu erschließen, die Biologicals für die Pflanzen- und Bodengesundheit bieten.
Mehr zu unseren Aktivitäten im Bereich Biologicals erfahren Sie hier.