Die Ernte 2021 wird zur Einkaufsrealität 2022

Syngenta
Die Ernte 2021 wird zur Einkaufsrealität 2022

«Der Sommer ernährt, der Winter verzehrt». Vor einigen Monaten haben wir darüber berichtet, wie die durch Wetterextreme bedingten massiven Ernteverluste in der Schweiz diese alte Bauernregel in Frage stellen. Inzwischen sind die Einbussen des letzten Jahres auch für die Konsumenten klar sicht- und spürbar – und machen deutlich, dass es sich nicht um einen einmaligen «Ausreisser» handelt, sondern um eine systemische Veränderung, für die wir auch in der Schweiz langfristige Lösungen finden müssen, die über den reinen Import von Lebensmitteln hinausgehen. 

 

Brotgetreide 

Aufgrund der witterungsbedingt tiefen Ernteerträge liegt in der Schweiz die Menge an Weizen, Roggen und Dinkel, die «verbacken» werden kann, rund 30% unter der des Vorjahres. Rund 95 000 Tonnen Brotgetreide wurden 2021 aus Qualitätsgründen deklassiert, konnten also nicht mehr für die menschliche Ernährung verwendet werden. Es wird deshalb vermehrt Importweizen verarbeitet, wobei sich hier in Bezug auf Angebot und Preis ebenfalls der Effekt des Klimawandels bemerkbar macht. Kanada etwa ist einer der wichtigsten Lieferanten für Hartweizengriess, und die Dürre und anhaltende Hitze führten auch dort im letzten Jahr zu einem Einbruch der Erträge. Schweizer Konsumenten müssen also nicht nur für Brot und Gipfeli, sondern auch für Pasta tiefer in die Tasche greifen.  

 

Gemüse 


Der negative Trend setzt sich bei vielen Gemüsesorten fort: Die Lagerbestände von Zwiebeln, Rüebli und Knollensellerie sind rund 30 Prozent, die von Randen und Rotkabis sogar um 50 Prozent tiefer als üblich. Es wird geschätzt, dass es bereits ab Mitte April keine Schweizer Rüebli mehr geben wird – dieser Punkt ist normalerweise erst im Laufe des Monats Mai erreicht. Es ist zwar üblich, dass Karotten vor allem aus Spanien und Italien importiert werden, bis die erste neue Ernte eingefahren wird – 2022 wird dieser Zeitraum jedoch anderthalb Monate statt zwei bis drei Wochen betragen. Die gelagerten Zwiebeln werden wahrscheinlich schon Ende März aufgebraucht sein, und auch Schweizer Erbsen kommen momentan nicht immer aus der Schweiz, zur Verwirrung mancher Supermarktkunden. 

Erbsen

 

Kartoffeln 


Hagel, Starkregen und die anhaltende Nässe auf dem Acker haben auch bei Schweizer Kartoffeln zu signifikanten Ernteverlusten geführt. Laut dem Verband Swisspatat wurden 26% weniger konventionell angebaute Kartoffeln eingelagert als im Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Bei Biokartoffeln waren es sogar 45% weniger. Dies ist vor allem im Pflanzenschutz begründet: Im Biolandbau ist Kupfer das einzige zugelassene Mittel gegen die Kraut- und Knollenfäule, von der in der nassen Anbausaison 2021 viele Kartoffelkulturen in der Schweiz befallen waren. Im Gegensatz zu den im konventionellen Anbau genutzten Fungiziden, die systemisch wirken, ist Kupfer ein Kontakt-Fungizid und wirkt nur vorbeugend, das heisst es muss schon vor einem Befall gespritzt und nach Niederschlägen erneuert werden.  

Aufgrund der Ernteeinbussen hat das Bundesamt für Landwirtschaft inzwischen die Importkontingente für Schweizer Unternehmen heraufgesetzt. Dies betrifft sowohl Speisekartoffeln als auch Veredelungskartoffeln, welche nicht als Ganzes, sondern in beispielsweise als Pommes Frites oder Chips verkauft werden. Für die verarbeitenden Unternehmen kommt erschwerend zum geringen Ernteaufkommen hinzu, dass die Kartoffeln allgemein kleiner sind und oft Wachstumsrisse oder Hohlräume im Zentrum der Knollen aufweisen, was die Verarbeitung komplizierter macht. Das hat Konsequenzen: Die Firma Zweifel, Marktführer für Kartoffelchips in der Schweiz, verarbeitet normalerweise 95 Prozent Schweizer Kartoffeln. In diesem Jahr sind das nur 70% - die restlichen 30%, werden importiert, soviel wie seit 1999 nicht mehr.   

 

Äpfel 


Die Schweizer Mostproduzenten – und damit auch die Konsumenten – sind dank der Überbestände aus den Vorjahren zwar glimpflich davongekommen, was die Ernte 2021 betrifft. Am Beispiel von Äpfeln zeigt sich aber trotzdem sehr eindrücklich, wie unverzichtbar moderner, zeitlich gut abgestimmter Pflanzenschutz gerade unter widrigen Bedingungen ist. Die anhaltende Nässe im letzten Sommer begünstigte vor allem die Verbreitung von Schorf – einer Pilzkrankheit, die nichtverholzte und oberirdische Teile des Apfelbaums befällt und zu braunschwarzen Flecken auf den Früchten führt, aus denen sich tiefe Risse bilden. Zusätzlich boten die Hagelschäden an Holz und Früchten Schädlingen leichten Zugang. Die vielerorts angebrachten Hagelnetze konnten diese Gefahr nur teilweise schmälern, da die Hagelstürme oft so stark waren, dass sie zu Streuhagel unter den Netzen und entlang der Ränder führten. Alle diese Faktoren erhöhten massiv den Aufwand für die Obstbauern, ihre Ernten zu schützen.  

 

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Diese Bilder wurden im Sommer 2021 in Apfelplantagen im Thurgau aufgenommen und zeigen die Wichtigkeit von effektivem Pflanzenschutz.  

 

Es braucht Anpassung auf lange Sicht 

Für Vorhersagen zur Anbausaison 2022 ist es natürlich noch zu früh, und man kann sich nur wünschen, dass den Landwirten Extreme wie im letzten Jahr erspart bleiben. Es lässt sich jedoch mit Sicherheit sagen, dass diese Extreme einen allgemeinen und nicht umkehrbaren Trend reflektieren: Wie überall auf der Welt ist auch in der Schweiz die Landwirtschaft den Folgen des Klimawandels unmittelbar ausgesetzt. Steigende Durchschnittstemperaturen, eine verstärkte Sommertrockenheit und mehr Wetterextreme wie Hagel oder Sturm führen zu einem höheren Schädlingsdruck und Schäden an den Pflanzenkulturen, was wiederum Aufwand und Kosten für die Bauern erhöht und trotz aller Massnahmen wieder in Mindererträgen resultieren kann und wird.  

Dazu kommt, dass aufgrund der geografischen Gegebenheiten die landwirtschaftliche Nutzfläche in der Schweiz begrenzt ist. Sie sollte deshalb so ressourceneffizient wie möglich genutzt werden, etwa durch moderne Bewässerungssysteme und den Anbau von Kulturen und Sorten, die mit den neuen Bedingungen besser zurechtkommen oder resistent gegen bestimmte Krankheiten und Schädlinge sind.   

Neben den Landwirten sind aber auch der Detailhandel und wir als Konsumenten gefordert. Von 100 geernteten Kartoffeln schafft es gerade mal ein Drittel auf unsere Teller – der Rest wird irgendwo entlang der Wertschöpfungskette aussortiert, weil er rein äusserlichen Kriterien nicht entspricht. Dieser Ansatz ist schon bei unseren menschlichen Beziehungen nicht zeitgemäss.... und erst recht nicht bei Gemüse!  

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Die Auswirkungen des Klimawandels in der Schweiz betreffen nicht nur die Landwirtschaft. Das National Centre for Climate Services (NCCS) hat ein Pilotprogramm gestartet, das innovative Vorhaben von Kantonen, Regionen, Städten und Gemeinden fördert,  die vor Ort Klimarisiken minimieren, die Anpassungsfähigkeit steigern und neue Chancen identifizieren. Erfahren Sie mehr  

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