Ein Jahr der Extreme für die CH Landwirtschaft
«Der Sommer ernährt, der Winter verzehrt» Die vergangenen Monate haben nicht nur in der Schweiz eine neue, ernüchternde Perspektive auf diese alte Bauernregel eröffnet. Dauerregen, Hagelstürme und zu wenig Sonnenschein führten zu massiven Ernteverlusten bei vielen Kulturen. Ein Beispiel ist der Weizen, wo je nach Schweizer Region bis zu 90 Prozent der Ernte deklassiert werden musste, also nicht mehr für die menschliche Ernährung verwendet werden kann. Oder Kartoffeln mit Ertragsausfällen von 15 - 30 Prozent in der konventionellen und 60 – 80 Prozent in der biologischen Landwirtschaft.
Auch bei Obst und Gemüse haben die heftigen Nieder- und Hagelschläge grossen Schaden speziell bei Freilandkulturen angerichtet. Bei Broccoli, Rot-, Weiss- und Blumenkohl sind sogar Totalschäden zu verzeichnen. Ein grosses Problem waren gerade im Obstbau die fehlenden Sonnenstunden – der Mangel an Wärme und Licht macht sich sowohl bei der Qualität als auch der Grösse der Früchte bemerkbar.
Pflanzenschutz unter erschwerten Bedingungen
Die extremen Wetterbedingungen beeinträchtigten auch den effektiven Schutz der Pflanzen vor Krankheiten und Schädlingen. Die anhaltende Nässe begünstigte vor allem die Verbreitung von Pilzkrankheiten, während sie das Aufbringen von Pflanzenschutzmitteln erschwerte, da viele Landmaschinen wegen der aufgeweichten Böden nicht eingesetzt werden konnten.
Bei Äpfeln wurde besonders der Befall mit Schorf zum Problem - ein Pilz, der nichtverholzte und oberirdische Teile des Apfelbaums befällt und zu braunschwarzen Flecken auf den Früchten führt, aus denen sich tiefe Risse bilden. Zusätzlich boten die Hagelschäden an Holz und Früchten Schädlingen leichten Zugang. Die vielerorts angebrachten Hagelnetze konnten diese Gefahr nur teilweise schmälern, da die Hagelstürme oft so stark waren, dass sie zu Streuhagel unter den Netzen und entlang der Ränder führten. Alle diese Faktoren erhöhten massiv den Aufwand für die Obstbauern, ihre Ernten zu schützen. Wie unverzichtbar moderner, zeitlich gut abgestimmter Pflanzenschutz gerade unter diesen Bedingungen war und ist, zeigen die Aufnahmen von Apfelplantagen im Thurgau sehr eindrücklich.
Eine Hungersnot in der Schweiz?
Nicht nur die Landwirte, auch die Konsumentinnen und Konsumenten bekommen die Ernteeinbussen des Jahres 2021 zu spüren. Die reduzierte Verfügbarkeit von regionalen Produkten schlägt sich in höheren Preisen und mehr Importen nieder. So erhöhte der Bund in den letzten Monaten bereits mehrfach die Importkontingente für Kartoffeln, damit einheimische Abnehmer wie etwa Chips-Hersteller genügend Rohstoffe zum Verarbeiten haben.
Es gibt wohl kein besseres Beispiel als die Kartoffel, um zu zeigen, dass Ernteausfälle noch weitaus dramatischere Konsequenzen haben können, und welche wichtige Rolle moderner Pflanzenschutz bei deren Verhinderung spielt. Die Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel prägte auf tragische Weise die Geschichte, als sie in der Mitte des 19. Jahrhundert auf Europas Kartoffelfeldern wütete und zu verheerenden Missernten führte. Mehr als 1 Million Menschen verhungerten allein in Irland, und weitere zwei Millionen wanderten nach Amerika und Australien aus.
Der Erreger der Kraut- und Knollenfäule ist für seine äusserst rasche Ausbreitung und seine Fähigkeit berüchtigt, auf Bekämpfungsstrategien mit jeweils neuen Formen zu reagieren. Das macht ihn auch im 21. Jahrhundert noch gefährlich. In diesem von widrigen Wetterbedingungen geprägten Jahr konnte sich die Kraut- und Knollenfäule in der ganzen Schweiz ausbreiten und trug so erheblich zu den Ertragseinbussen bei Kartoffeln bei. Die Zahlen zeigen jedoch auch, wie wirksam die Krankheit mit modernen Fungiziden bekämpft werden kann. Die für den Herbst erwarteten Ernteeinbussen liegen gemäss der Bauernzeitung für konventionell angebaute Kartoffeln bei 15-30%, gegenüber 60-80% bei Bio-Kartoffeln, wo die Kraut- und Knollenfäule teilweise zu Totalausfällen führte.
Unabhängig davon ob das, was da immer noch zuverlässig auf unseren Tellern landet, aus konventionellem oder Biolandbau stammt, die vergangenen Monate sollten uns in jedem Fall eine bewusste Auseinandersetzung mit unserem täglich Brot (im wahrsten Sinne des Wortes) wert sein.