Ist da der Wurm drin?

Syngenta
apples

Nach der Ernte ist vor dem Verkauf - mit den kürzer werdenden Tagen ziehen auch die Schweizer Obstbauern ihr Fazit für die Saison 2023. Dieses fällt enttäuschend aus: Als Folge von Wetterextremen und Schädlingsbefall ist die Ernte von Tafeläpfeln so tief wie seit 10 Jahren nicht mehr. Gleichzeitig wird das Spektrum verfügbarer Pflanzenschutzmittel immer kleiner, und neue Züchtungsmethoden wie die Genom-Editierung, die robustere Apfelsorten hervorbringen könnten, werden – noch – von der Politik ausgebremst. Ist also der Wurm drin in der Schweizer Nationalfrucht?

Der Martinstag ist vorbei, die Ernte in der Schweiz eingebracht. Früher mussten die Bauern an diesem Tag einen Teil ihrer Ernte – den sogenannten «Zehnten» an den Grundherrn abliefern, was in schlechten Jahren besonders bitter war. Auch wenn die Rechnungen heute nicht mehr in Naturalien bezahlt werden, sind Ernteausfälle für Landwirte immer noch einschneidend. Dies gilt auch für die Apfelernte, die gemäss dem Schweizer Obstverband so tief ausfällt wie seit 10 Jahren nicht mehr. Dafür verantwortlich ist auch der hohe Schädlingsdruck, wie Obstbauer Peter Oetiker vom Hof Elm in Bennwil bestätigt: «In Bezug auf Schädlinge war das Jahr schwierig. Wir hatten einen nassen April und Mai, so dass sich Pilzkrankheiten leichter ausbreiten konnten. Mit den hohen Temperaturen kamen dann die Läuse und der Apfelwickler.»

 

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Da ist der Wurm drin: Der Apfelwickler ist ein kleiner braun-grau gefleckter Falter. Die weiblichen Apfelwickler legen ihre Eier auf den Blättern oder direkt auf den Äpfeln ab. Von dort aus fressen sich die Larven dann in das Innere des Apfels hinein. Source: Syngenta (Trinity)

Vom Apfelwickler befallene Äpfel fallen früher ab und können nicht mehr verkauft werden. Dies passiert auch bei einem Befall mit Apfelschorf, einer Pilzkrankheit, welche die Blätter, aber auch die Triebe und Früchte des Apfelbaums befällt. Wenn der Schorfbefall erst an fast ausgewachsenen Äpfeln eintritt, «verkorken» diese Stellen – die Äpfel können zwar noch für die Mostproduktion verwendet werden, aber nicht mehr als Tafeläpfel.

Diejenigen Äpfel, die zu den Lagersorten gehören und am Baum dem Befall durch den Apfelwickler und andere Schädlinge entgangen sind, werden uns noch bis ins nächste Frühjahr oder sogar in den Sommer hinein begleiten. Damit sie über einen langen Zeitraum gesund und vermarktungsfähig bleiben, müssen sie allerdings in einem einwandfreien Zustand ins Kühllager kommen. Krankheiten wie Lagerfäulen oder Schorf sind beim Pflücken oft noch nicht ersichtlich und führen erst nach längerer Lagerung zu Schäden an den Früchten. «Ohne wirksamen Pflanzenschutz kann unter Umständen bis zur Hälfte der eingelagerten Früchte einem Pilz zum Opfer fallen», sagt Peter Oetiker.

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Lagerfäulen können zu grossen Ertragsverlusten führen. Fungizide müssen deshalb gezielt und auf eine optimale Wirkung ausgerichtet möglichst kurz vor der Ernte ausgebracht werden. Syngenta hat Produkte mit gutem Rückstandsprofil, was für die Obstbauern mehr Flexibilität und Nachhaltigkeit bedeutet. Source: Syngenta (Trinity)

Die Optik macht’s – oder?

Der Gedanke drängt sich nicht unbedingt auf, wenn man im Supermarkt nach den rotbäckigsten Früchten greift – aber Äpfel sind die meistgespritzten Kulturpflanzen der Schweiz, zusammen mit Weintrauben. Im Bioanbau muss sogar noch häufiger gespritzt werden, da die eingesetzten Schwefel- und Kupferpräparate nicht so effizient sind wie die synthetischen Pflanzenschutzmittel und vom Regen leichter abgewaschen werden. Für dieses Dilemma sind auch wir als Kunden verantwortlich: Wir wollen makellose Äpfel. Selbst winzige Verfärbungen oder Dellen werden kaum akzeptiert, und die Farbe muss perfekt sein (beim beliebten Gala-Apfel zum Beispiel so viel rot wie möglich). 

Gala gehört dazu zu den empfindlichsten Sorten auch in Bezug auf die Lagerung – trotzdem ist die Anbaufläche für Gala in der Schweiz stabil. Das liegt vor allem daran, dass die meisten Obstbauern ihre Äpfel nicht direkt verkaufen, sondern über Grossverteiler. Diese wiederum kaufen die Sorten, die sie kennen, und die dem Einkaufsverhalten der Kunden gerecht werden. Es ist ein Kreislauf, der sich nur dann aufbrechen lässt, wenn wir als Kunden ein stärkeres Bewusstsein für die Herkunft unserer Lebensmittel und die Herausforderungen der Produzenten entwickeln. Dazu gehört auch, beliebte Apfelsorten wie Gala gegen Auswirkungen des Klimawandels wie Starkregen, Trockenheit und eingeschleppte Schädlinge zu schützen – bei einem stetig schrumpfenden Portfolio an verfügbaren Pflanzenschutzmitteln.

Der Wettlauf zwischen Schutz und Schädling

«Pflanzenschutz ist wichtig», betont Peter Oetiker. «Wir schützen die Äpfel zum Beispiel mit Fungiziden, damit sie gesund bleiben und für die Konsumenten attraktiv sind, und damit wir sie verkaufen können. Wir spritzen nur, wenn es unbedingt nötig ist, und haben in den letzten Jahren grosse Fortschritte bei der Applikationstechnik gemacht. Dafür ist es wichtig, dass wir gute Mittel zur Verfügung haben. Das wird leider immer schwieriger.» Tatsächlich wird das Spektrum an Pflanzenschutzmitteln auf dem Schweizer Markt immer kleiner. Seit 2005 wurde 208 Wirkstoffen die Zulassung entzogen, aber es wurden nur 93 Wirkstoffe neu zugelassen. 

Der Zulassungsstau muss aufgelöst werden – aber allein dadurch lässt sich das Problem nicht nachhaltig lösen. Gefragt sind neue, robuste Apfelsorten, die resistenter gegen Krankheiten und Schädlinge sind und deshalb mit weniger Spritzmittel auskommen. Das Züchten neuer Sorten, die Gala auf der Beliebtheitsliste ablösen könnten, ist jedoch eine langwierige Angelegenheit. Die Früchte können nach einer Kreuzung erst nach mehreren Jahren zum ersten Mal geerntet und bewertet werden, so dass es bis zu zwanzig Jahre bis zu einer neuen resistenten Sorte dauern kann. 

Neue Wege in der Züchtung

Neue Züchtungsmethoden könnten helfen, den langwierigen Züchtungsprozess abzukürzen. Dazu gehört in erster Linie die Genom-Editierung, und da speziell die Genschere CRISPR/Cas9, mit der einzelne Gene der Apfel-DNA gezielt umgeschrieben oder „editiert“ werden können. Forscherinnen und Forscher an der ETH Zürich arbeiten zum Beispiel daran, die Sorte Gala mittels CRISPR/Cas9 resistenter gegen Feuerbrand zu machen, eine hochinfektiöse, schwer zu bekämpfende bakterielle Pflanzenkrankheit. 

Aufs Feld dürfen geneditierte Pflanzen in der Schweiz und der EU – noch – nicht, da sie rechtlich als Gentechnik gelten. Seit 2005 besteht in der Schweiz ein inzwischen mehrfach verlängertes Moratorium zum Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen (GVO). Dieses Moratorium trägt neuen Methoden wie CRISPR/Cas9, mit dem gewünschte Pflanzeneigenschaften sicherer und präziser erzeugt werden können, noch nicht Rechnung. Ein zeitgemässer und zukunftsgerichteter Umgang wäre also das Gebot der Stunde – aber davon sind wir in der Schweiz momentan noch weit entfernt.